Manchmal regt sich mein Kind auf einmal auf, es weint hysterisch und wird laut. Die Bauklötze passen nicht zueinander, die Banane wurde aus versehen durchbrochen (er wollte unbedingt ein ganzes Stück haben) oder das andere Kind hat auf dem Spielplatz seine Schaufel weggenommen. Wie gehe ich damit um? Wie reagiere ich auf so ein intensives Verhalten?

Was ich bis jetzt normalerwise kannte:

„Hör auf zu weinen! Beruhige dich!“(Befehl)

„Das war doch gar nicht so schlimm! Das ist doch nur eine Schaufel!“ (Verkleinerung)

„Entweder hörst du jetzt auf oder wir gehen nach Hause.“ (Erpressung)

„Man darf sich nicht ärgern, das ist nicht in Ordnung und das ist nicht höflich gegenüber dem Anderen.“ (Belehrung)

„Willst du noch lange so weinen? Mach doch kein Drama draus!“ (Erniedrigung)

Was wir oft nicht kennen:

„Ich sehe, dass du weinst. Bist du jetzt sauer, weil deine Schaufel weg ist?“

„Wie kann ich dir helfen? Möchtest du, dass ich dem Junge sage, dass das deine Schaufel ist und es dir wichtig ist, dass man dich fragt, bevor man was von dir nimmt? (Level hoch. Ich übersetze in dem Fall, die Gefühle und Bedürfnisse meines Kindes. Ab 2 Jahren können sie schon ganz gut verstehen).

Was ich durch die Gewaltfreie Kommunikation kennen gelernt habe: die einfühlsame und emphatische B E G L E I T U N G. Das war ein „Game-Changer”. Meine bisherigen Reaktionen konnten schwere Folgen haben. Wie zum Beispiel: Ich darf mich nicht ärgern, darüber was mir wichtig ist (meine Schaufel oder die Banane in dem Moment). Jemand hat das Recht, mich zu belehren und meine Probleme sogar klein zu machen. Nach und nach gehen meine persönlichen Grenzen verloren und es fällt mir im Erwachsenen leben schwer auf meine eigenen Grenzen aufzupassen. Wenn mich was ärgert, habe ich Angst, es laut zu sagen. Habe ich ja Recht dazu? Das ist doch unhöflich und meine Probleme sind ja eh keine Probleme („Mach doch kein Drama draus!“).

Mein Kind darf wütend sein. Die Wut zeigt, dass mein Kind an seine Grenzen stößt, weil ihm etwas sehr wichtig in dem Moment ist. Überlebenswichtig. Die Schaufel – es ist sein Eigentum (genauso wie mein Rechener oder mein Iphone) und er möchte selber entscheiden, wer seine Dinge benutzt (Selbstbestimmheit).

Ich möchte, es anders für mein Kind, denn ein Leben mit so der Strategie „Wut gleicht schlchtes Verhalten und Emotion, die es zu aufzulösen gilt” viel Unglück bereitet. Ich möchte, dass er sich frei fühlt, in dem was er fühlt, was ihn bewegt, ärgert, wütend macht. Ich belehre ihn dabei nicht, ich kritisiere es  nicht oder stelle in Zweifel die Richtigkeit seiner Reaktion. Woher soll ich Recht dazu haben? Warum soll ich entscheiden, was er fühlen kann, darf oder soll? Stattdessen bin ich einfach bei ihm, ich höre ihm zu und helfe ihm aus dieser Situation herauszukommen.

Warum es mir so wichtig ist? Zum einen, die Beispiele der nicht-Begleitung sind eigentlich eine verbale Gewalt für mich. Erniedrigung eines kleinen Menschen, der sich gegenüber unseren Worten eher selten verteidigen kann. Und wenn es probiert, hat er selten Chance auf Gewinn. Und hier sind wir schon bei einer Beziehung die mit Machtkampf was zu tun hat. Ich möchte eine, die auf Augenhöhe basiert. Mein Kind handelt nicht, weil er jemanden verletzen will, sondern weil es eigene Bedürfnisse verteidigen will, die für ihn überlebenswichtig sind.

Vielleicht denkst du jetzt: „Oh mein Gott, eine Banane ist ja nur eine Banane! Eine Schaufel ist nur eine Schaufel! Und kein Weltuntergang! “ Ja, für dich. Für dein Kind das ist ein Weltuntergang. Das ist für ihn dein Handy, Autoschlüssel, Geld oder andere wertvolle Sachen. Bevor das nicht eingesehen und akzeptiert wird, können wir nicht weiter hier machen. Das heißt dann auch, dein Kind auf Augenhöhe zu begegnen. Und so eine Welt mit Kleinmenschen wünsche ich mir – mit Begegnung auf Augenhöhe. Die Bedürfnisse der anderen (Empathie) werden gesehen. Wenn es einem schlecht geht und er in Not ist (Wut), dann bieten wir Unterstützung, anstatt Belehrung und Erpressung.

Was für eine Welt wünschst du dir?